"Neue Ausgrabungen in den Sakralzonen von Histria" |
Vortrag | |
Prof. Dr. Alexandru Avram (Rumänische Akademie der Wissenschaften und Universität Bukarest) | |
19. November 2001 (Montag), 19:00 Uhr s.t. | |
Robertinum HS | |
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Zusammen- fassung: |
Als milesische Kolonie wurde Istros (lat. Histria) um die Mitte des 7.
Jh. v. Chr. (der literarischen Überlieferung zufolge 657/6 v. Chr.)
gegründet. Der Ort befindet sich auf halbem Wege zwischen dem südlichen
Arm des Donaudeltas und der heutigen Stadt Konstantza (antik Tomis) am
Ufer des Sinoe-Sees, der in antiker Zeit eine offene Meeresbucht war.
Das Siedlungsgebiet von Histria besteht aus zwei Kernbereichen: zum
einen im Osten die sogen. Akropolis, wo sich u. a. auch die Sakralzone
befindet, und zum anderen im Westen die sogen. Zivilsiedlung. Von den
mehrfachen Brandschatzungen der Stadt datiert offenbar die erste in das
Ende des 6. Jh. v. Chr. und geht wahrscheinlich auf einen Skytheneinfall
als Folge des Dariuszuges zurück. Eine weitere Zerstörung kann 339 v.
Chr. angesetzt werden, als es zum Kampf zwischen dem Skythenherrscher
Ataias und dem Makedonenkönig Philipp II. kam, oder datiert in das Jahr
313 v. Chr. in Zusammenhang mit der Erhebung westpontischer Poleis gegen
den König Lysimachos. Ferner wurde Histria auch bei den Angriffen des
Getenkönigs Burebista im Jahre 48 v. Chr. stark verwüstet. All diese Ereignisse finden in der Entwicklung der Sakralzone ihre Widerspiegelung. Von den ersten Siedlungshorizonten besitzen wird nur sporadische Kenntnisse. Es handelt sich dabei um Opfergruben sowie um Pfostenlöcher eines hölzernen Tempels. Aus dem Anfang des 6. Jh. v. Chr. datiert der erste Steintempel, da in einem Bothros immerhin Materialien dieser Epoche gefunden wurden. Doch sind die Reste der Anlage durch die spätere römische Festungsmauer beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Um die Mitte des 6. Jh. v. Chr. wurde der Zeustempel errichtet, der aufgrund von Graffiti mit entsprechender Dedikation, die dort in einem Bothros entdeckt wurden, als solcher identifiziert wird. Ein weiterer Tempel dieser Zeit ist der Aphrodite geweiht worden, wo ein entsprechender Deckziegel mit Widmung an diese Göttin die Zuschreibung sichert. Später wurde um die Mitte des 3. Jh. v. Chr. ein Tempel errichtet, von dem sich mehrere Architekturstücke seiner Marmorfassade erhalten haben. Wie die Architravinschrift beweist, wurde er für den noch rätselhaften "Großen Gott" (Theos Megas) errichtet. Die gesamte Sakralzone ist im Jahre 48 v. Chr. infolge des Geteneinfalls unter dem König Burebista zerstört worden, wie dies eine starke Brandschicht beweist. Die Reste der Kultgebäude wurden nun absichtlich mit einer Lehmschicht bedeckt, was als eine Desakralisierung betrachtet wird, so dass jetzt das Gebiet in einen Wohnbezirk transformiert wurde. Dagegen kennt man bisher nicht die Lage der römerzeitlichen Sakralzone. Angesichts der Tatsache, dass eine Bebauung aus römischer und römisch-byzantinischer Zeit (1.-6. Jh.) über der griechischen Sakralzone liegt, können die Ausgrabungen nur langsam vorangetrieben werden. Nachdem bis zum Jahre 1980 die oben erwähnten Denkmäler sowie auch Altäre und Votivbasen freigelegt worden waren, konnten die Ausgrabungen seit 1990 in den Südabschnitt ausgedehnt werden, um die Existenz der Sakralzone auch in dieser Richtung nachzuweisen. Unter den bedeutenderen Resultaten dieser neueren Forschungen seien hervorgehoben: vollständige Freilegung der Fassade des Aphroditetempels, Identifikation eines "Heiligen Weges" aus hellenistischer Zeit, der nach dem Tempel des "Großen Gottes" orientiert ist, wobei entlang dieses Weges unterschiedliche Votivbasen aufgestellt sind, und vor allem östlich vom Aphroditetempel die teilweise Aufdeckung einer großen Sakralgrube. Diese stellte sich als eine natürliche Einsenkung in den aus Schiefer bestenden Felsgrund dar und besaß scharf abbrechende Seitenwände. Auf dem Boden dieser Grube wurde eine aus Kalksteinblöcken bestehende Mauer unklarer Funktion entdeckt. Wahrscheinlich stand sie in Verbindung mit gewissen Prozessionen, die von den Treppenstufen an der östlichen Breitseite des Aphroditetempels von Zuschauern verfolgt werden konnten. Den jüngsten Fundmaterialien zufolge wurde die Grube aus unbekannten Gründen um das Jahr 100 v. Chr. aufgefüllt. Auf die geschlossene Grube wurden einige Votivbasen aus dem "Heiligen Weg" gesetzt, was auf eine topographische Umstrukturierung des Sakralbezirkes hinweist. Alexandru Avram
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